Es war ein Brandruf, den Ulrich Kupczik, Sprecher der AG Müttergenesung bei der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, im Sommer in Richtung des niedersächsischen Sozialministeriums formulierte: "Die Einrichtungen der Mutter-/Vater-Kind-Vorsorge und Rehabilitation stehen mit dem Rücken zur Wand! Die Folgen der Corona-Pandemie haben die Vorsorge und Reha-Kliniken in Niedersachsen in große Not gebracht. Wir brauchen dringend einen rückwirkenden Corona-Zuschlag und eine Beteiligung der Kostenträger an den Verlusten, wenn Patienten die Maßnahmen abbrechen!"
Diese Forderung nach Unterstützung gilt auch im März 2023, betont Kupczik gegenüber dem neuen niedersächsischen Sozialminister Dr. Andreas Philippi. Um die Situation der Vorsorge- und Reha-Kliniken anschaulich zu machen, hat die AG Müttergenesung Dr. Andreas Philippi in die Fachklinik Thomas Morus auf Norderney eingeladen. In der Caritas-Klinik werden Mütter oder Väter mit Erschöpfungssyndromen zusammen mit ihren Kindern behandelt.
Klinikleiterin Silvia Selinger-Hugen beschreibt die Situation: "Wir können in unserem Haus 48 Mütter oder Väter mit ihren Kindern behandeln. Die Corona-Pandemie hat den Betrieb teilweise erheblich eingeschränkt. Bis heute schlagen die Auswirkungen voll durch. Gleichzeitig waren wir bis zum 28.Februar verpflichtet, aufwändige Hygienemaßnahmen durchzuführen - allerdings seit dem 1.Juli 2022 ohne Kostenerstattung." Zudem gebe es eine weitere Belastung: "Für Patienten, die wegen einer Coronainfektion ihre Maßnahme kurzfristig absagen müssen, erhalten wir keine Ausfallkosten erstattet."
Sozial- und Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi: "Rehabilitation ist ein wichtiger Bestandteil einer leistungsfähigen sektorenübergreifenden Versorgung. Die Bedeutung von Prävention und Rehabilitation für unser Gesundheitswesen können gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die wichtige Arbeit, die hier in der Fachklinik Thomas Morus für Väter, Mütter und Kinder geleistet wird, beeindruckt mich sehr. Ich weiß um die angespannte finanzielle Situation der Vorsorge- und Rehabilitationskliniken für Eltern-Kind-Einrichtungen und werde die hier angesprochenen Themen in Gespräche mit den zuständigen Kassen und dem Bund nehmen."
Ulrich Kupczik begrüßt die Ankündigung des Ministers und appelliert zugleich, eine Strategie zu
entwickeln, um das Vorsorge- und Rehaangebot zukunftsfest zu machen: "Zu dieser Strategie gehört auch, die Beratungsstellen und die Kliniken des Müttergenesungswerks zu stärken."
Silvia Selinger-Hugen unterstreicht diese Forderung: "Corona hat viele Familien weit über die Grenzen der Belastbarkeit geführt. Gleichzeitig zeigen die anreisenden Familien eine höhere Belastung als vor der Pandemie. Die Eltern sind stark erschöpft, oft krank, die Kinder belastet. In den Kliniken des Müttergenesungswerkes stärken wir ihre Gesundheit."
Ein Augenmerk legt die Klinikleiterin zudem auf pflegende Angehörige: "Auch diese Gruppe braucht unsere Unterstützung." Dem stimmt Minister Philippi zu: "Etwa 80% der Pflegebedürftigen werden zuhause versorgt. Die Arbeit, die auf diese Weise von den Angehörigen geleistet wird, müssen wir noch stärker wahrnehmen und entsprechende Vorsorge- und Rehaangebote entwickeln."
Zum Ende des Gesprächs zogen die Vertreter der Freien Wohlfahrtspflege eine positive Bilanz. "Man merkt, dass Dr. Philippi vom Fach ist. Als Mediziner weiß er, wovon wir hier reden," unterstreicht AWO-Vorstand Thore Wintermann, der für die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege am Treffen teilnahm. Johanna Sievering, Vorständin des Caritasverbandes für die Diözese Osnabrück e.V., ergänzt: "Das war ein angenehmes Gespräch. Wir haben einen Minister erlebt, der präzise nachgefragt und sehr aufmerksam zugehört hat."
In Niedersachsen finden sich 32% aller Vorsorge- und Reha-Kliniken Deutschlands. In den 23 niedersächsischen Kliniken können jährlich mehr als 37.600 Mütter, Väter und Kinder behandelt werden.